Wie vermeidet man Vereinsamung und Quiet-Quitting im Home-Office?

Wie vermeidet man Vereinsamung und Quiet-Quitting im Home-Office?

Hybride Arbeit und die Wichtigkeit von sozialer Interaktion

Wesentlicher Bestandteil jedes funktionierenden Teams ist die emotionale Beziehung zwischen den einzelnen Teammitgliedern. Diese emotionale Beziehung gründet auf Ritualen, Informalitäten und Formalitäten. Im Gegensatz zum Präsenzbüro teilt man sich im virtuellen Büro oft keinen gemeinsamen Raum (auch wenn dies technisch natürlich möglich ist und von 100% remoten Organisationen auch so genutzt wird). Dies bedeutet, die einzelnen Teammitglieder wechseln ständig von ihrer isolierten Arbeitsumgebung zu Hause - der “realen” Arbeitsumgebung - in den virtuellen Raum, wo sie auf andere Kolleginnen und Kollegen treffen - und wieder zurück. Diese Zusammentreffen, bspw. in virtuellen Meetings, sind geplant und oft sehr agendagetrieben, Punkt für Punkt werden Inhalte besprochen, abgearbeitet und delegiert. Zeit für Teamdynamik, eine zwischenmenschliche Verbindung herzustellen oder dem Aufbau von Vertrauen wird oft nicht eingeplant, obwohl es diese noch mehr bedarf als bei “vor Ort Teams”.

Durch das Fehlen dieser sozial wichtigen Interaktionen fehlt oft der Vertrauensaufbau. Als Konsequenz der fehlenden sozialen Interaktion kommt es immer öfter zu einer Isolierung von einzelnen Teammitgliedern, die bis zur Vereinsamung führen kann. Mit der Vereinsamung kommt oftmals eine Dislozierung vom Unternehmen. Vereinsamung führt zu $406 Millionen an Kosten für US-amerikanische Unternehmen. Studien (Cigna 2020) zeigen des Weiteren, dass einsame Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine um 45% geringere Produktivität und doppelt so viele Fehltage haben. Oft leidet in weiterer Folge die Qualität der Arbeit darunter. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein starkes Zugehörigkeitsgefühl haben, sind sie produktiver, motivierter, engagierter und es ist 3,5-mal wahrscheinlicher, dass sie ihr volles Potenzial entfalten. Ein Mittel gegen Einsamkeit ist ein Zugehörigkeitsgefühl im Unternehmen bzw. Freundschaften u.a. im Team zu schaffen (Carr et al 2019).

Vier Möglichkeiten, das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Unternehmen zu fördern:

1.      Freundschaft bei der Arbeit fördern

2.      Rituale im Team fördern menschliche Verbindungen

3.      Der Sinn einer Arbeit verbindet

4.      Das Wohlergehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nehmen

Vor allem junge Menschen und Mütter mit Kindern zeigen Studien zufolge besonders hohe Werte an Vereinsamung auf. Führungskräfte müssen daher sich ihrer Verantwortung noch mehr bewusst werden und Work-Life-Balance vorleben. Im Team muss aber auch klar durch Teamnormen festgemacht werden, wann die Ruhezeiten sind und wann/wie/mit welcher Geschwindigkeit Reaktionen auf Anfragen erwartet werden. In 1:1 Meetings, welche in virtuellen Teams noch wichtiger sind, kann die Führungskraft auch immer wieder ein Gefühl dafür bekommen, wie es dem Teammitglied auch damit geht.

Welche Rolle spielen Kommunikation und Transparenz bei hybriden und remoten Teams?

Zu wenig, zu viel, nicht die richtige Information oder Themen, die nicht mehr aktuell sind. Kommunikation und Transparenz sind Grundpfeiler für die Zusammenarbeit in virtuellen oder hybriden Teams. 

Unternehmensinterne Kommunikation, aber auch Kommunikation im Team selbst waren schon immer eine große Herausforderung. Wenn Kommunikation aber noch dazu in einem Kontext stattfindet, in dem nicht alle im Unternehmen präsent sind, oder eine gänzlich virtuelle Organisation, wird es noch wichtiger darauf zu achten, dass die Kommunikation präzise, klar und transparent ist. Gerade in virtuellen oder hybriden Teams passiert es aber oft, dass ein oder mehrere Teammitglieder das Gefühl haben, ausgeschlossen zu sein, oder nicht alles zu wissen. Oft werden Projekte auch am Gang besprochen bzw. zwischen “Tür und Angel” spontane Entscheidungen getroffen, an denen remote Kolleginnen und Kollegen nicht teilhaben können. Klar ist, ein Gefühl der Unfairness (oft gepaart mit Intransparenz) kann hier sehr leicht aufkommen. Wenn mehrere Kolleginnen und Kollegen ein ähnliches Gefühl haben, ist das Vertrauen der Mitarbeitenden in das eigene Team, die Organisation und die gemeinsamen Ziele in Gefahr. Transparente interne Kommunikation ist hierfür unabdingbar.

Genau hier wird es aber auch schwierig: Was ist denn nun “genug” an Information und Kommunikation, damit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch am gleichen Stand sind und wann kommt ein Gefühl des Overloads auf? Klar ist, die frühzeitige Information aller Mitarbeitenden über wesentliche Veränderungen ist hier von besonderer Wichtigkeit. Tendenziell bedeutet dies auch ein und dieselbe Botschaft mehrfach kommunizieren - und das auf allen unterschiedlichen Kanälen.

Transparente Kommunikation bedeutet auch Relevanz

Kommunikation muss bestmöglich zielgruppenspezifisch ausgerichtet sein. Neben der zeitgerechten Kommunikation ist eine zielgruppenspezifische Ausrichtung bzw. Verteilung der Informationen auch von besonderer Bedeutung, wenn es darum geht Transparenz zu gewährleisten und Vertrauen aufzubauen. Dadurch kann auch gewährleistet werden, dass eben kein Informations-Overload entsteht, welcher oft zu einer kompletten Missachtung jeglicher Kommunikationsbemühungen führen kann. Jegliche Art der Kommunikation muss klar zweck- und zielgruppenorientiert sein.

Synchrone und asynchrone Kommunikation

Der Meeting-Marathon in der ersten Jahreshälfte 2020 ist mitunter darauf zurückzuführen, dass die meisten Organisationen noch nicht gewohnt waren die zwei Grundarten der Kommunikation effektiv einzusetzen:

  1. Synchrone Kommunikation bedeutet, dass Informationen zur gleichen Zeit oder in Echtzeit ausgetauscht werden. Synchrone Kommunikation, welche beispielsweise in virtuellen/hybriden Meetings stattfindet, sollte bei komplexen Themen, Besprechungen mit Interaktionscharakter oder Teambuildings eingesetzt werden.

  2. Asynchrone Kommunikation bedeutet, dass Informationen nicht zur gleichen Zeit ausgetauscht werden. Asynchrone Kommunikation wird auch als zeitversetzte Kommunikation beschrieben und ist überall da vorzufinden, wo die Kommunikationspartner mit zeitlichem Abstand aufeinander reagieren.  Eine E-Mail ist ein klassisches asynchrones Kommunikationsmedium. Die Senderin bzw. der Sender schickt ein Mail, die Empfängerin bzw. der Empfänger antwortet, wann es für sie/ihn am besten passt. Das heißt, man gibt ihr/ihm die Freiheit, die Informationen zu empfangen, zu bearbeiten und zu beantworten, wenn sie/er bereit ist. 

Wichtig ist bei asynchroner aber auch synchroner Kommunikation in hybriden Teams nicht zu vergessen: Spaß muss sein! Spaß und Teamspirit in hybriden Teams hängen stark zusammen. So können beispielsweise die ersten 10 Minuten in einem Teammeeting für den informellen Austausch untereinander genutzt werden, also wirklich bevor es zur Agenda des Meetings geht. Es ist hier insbesondere wichtig, diese 10 Minuten “informal check-in” auch explizit in der Teammeeting-Agenda mit einzuplanen, weil dies sonst oft vergessen wird. Sind wir einmal in einem virtuellen Meeting, tendieren wir dazu sehr aufgabenorientiert zu arbeiten und vergessen daher oft den Beziehungsfokus. Studien zeigen aber, dass virtuelle/hybride Teams, deren Anteil der nicht-aufgabenbezogenen Austausches höher ist, erfolgreicher sind, als jene, welche einen geringeren Anteil an informeller Kommunikation haben. Dies ist auf höhere Zufriedenheit und damit einhergehend gestärkter Team-Identität zurückzuführen. Erfolgreiche hybride Teams machen sich u.a. auch extra Termine aus, damit eben dieser soziale Aspekt abgedeckt wird, z.B. eine virtuelle Geburtstagsfeier mit virtueller Karaoke oder einmal in der Woche ein gemeinsames virtuelles Mittagessen. 

Neben den Teammetings sind ebenso klar strukturierte 1:1 Meetings besonders wichtig, d.h. ein Meeting zwischen der/dem Vorgesetzten und einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter.

Eine weitere Herausforderung hybrider Teamführung ist, dass Kommunikation nicht immer im gleichen Maße synchron für alle Teammitglieder ist. Teammitglieder, die physisch präsent sind, insbesondere, wenn die Führungskraft ebenfalls physisch präsent ist, haben oftmals einen zumindest zeitlichen Informationsvorsprung. Umso wesentlicher ist es, Entscheidungen, Vorgehensweisen, Veränderungen transparent und synchron zu kommunizieren. Möglichkeiten dazu sind neue Meeting- und Kommunikationsformate, wie z.B. hybride Meetings, schriftliche Kommunikation oder auch spontan einberufene Update-Meetings, an denen alle Teammitglieder teilnehmen können. Ist dies nicht möglich, so ist empfehlenswert, umgehend asynchrone Kommunikation, z.B. eine E-Mail/Slack Nachricht, an alle Teammitglieder zu senden, und vor allem diejenigen adressieren, die nicht anwesend sein konnten.

 

Wie stellt man Fairness & Inklusion in hybriden Organisationen sicher?

Unternehmen müssen sich bewusst werden, dass das Zusammenspiel von Mitarbeitenden vor Ort und virtuellen Kolleginnen und Kollegen zumeist zu einem ungleichen Zugriff auf Ressourcen, Informationen und zu einer unterschiedlichen Visibilität führt – damit verbunden sind große Auswirkungen auf Macht und Einfluss und Positionierung bzw. das oft diskutierte Sicherheitsgefühl. Mitarbeitende im Büro haben tendenziell schnellen und einfachen Zugriff auf Technologie, Infrastruktur, oftmals mit schnellerem Internet und einfacherem Zugriff auf Informationen. Die sogenannten „Kaffeemaschinen bzw. Kopierer-Kommunikation” mit eingeschlossen. Im Büro zu sein, bedeutet zusätzlich auch emotionale und soziale Unterstützung von den Kolleginnen und Kollegen.

Im Gegensatz dazu finden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die virtuell - auch wenn es nur zeitweise sein mag -  arbeiten, oft ihre schwächere technologische Einrichtung und Infrastruktur (langsamere Verbindungen, Schwierigkeiten von zu Hause aus auf bestimmte Ressourcen zuzugreifen, eine weniger professionelle Einrichtung im Home-Office), die ihre Stellung schwächt. Wenn man bei der „Kaffeemaschinen bzw. Kopierer-Kommunikation” nicht dabei sein kann, ist es oft so, dass man wesentliche Besprechungen nicht mitbekommt bzw. von einem neuen Projekt als Letze bzw. Letzer erfährt. Des Weiteren fühlen sich die virtuellen Kolleginnen und Kollegen oft schneller sozial isoliert und mit geringerer Unterstützung.

Der Fachterminus hierfür ist der Proximity Bias, das bedeutet, dass wir Kolleginnen und Kollegen, bzw. Mitarbeitende bevorzugen, welche uns am nächsten sind, also beispielsweise auch im Büro anwesend sind. Das kann eben genau dazu führen, dass virtuelle Kolleginnen und Kollegen bzw. Mitarbeitende vernachlässigt oder unfair behandelt werden.

Die Sichtbarkeit, oder besser gesagt, wie man von Senior Managerinnen und Managern gesehen wird, ist „standortabhängig“ und Studien zeigen, dass die Mitarbeitenden, die nicht vor Ort sind einige Nachteile haben: die Mitarbeitenden, die ich öfter am Gang sehe, sind auch die Mitarbeitenden, an die bei neuen Projekten zuerst gedacht wird. Sogar wenn der/die Vorgesetzte zu Hause arbeiten, ist es so, dass die Aktionen von Mitarbeitenden vor Ort tendenziell eher an den/die Vorgesetzte/n getragen werden, als von virtuellen Mitarbeitenden. Bei virtuellen Mitarbeitenden sehen wir die späten Nächte oder frühen Morgen vor dem Computer nicht so einfach. Die Lorbeeren ernten zumeist die Mitarbeitenden vor Ort, auch wenn es ein Teamerfolg ist (Mortensen/Haas 2021).

Wie führt man remote und hybride Teams erfolgreich?

Die schlechte Nachricht: Es gibt keine One-For-All-Lösung.

Die gute Nachricht: Es gibt für jedes Team eine passende Lösung.

Hybrides Arbeiten ist individuell:  Für jede Branche, jedes Unternehmen, jedes Team gibt es eine passende Lösung - die idealerweise gemeinsam erarbeitet wird, angepasst an die Möglichkeiten des Unternehmens, die Bedürfnisse der Stakeholder, rechtliche, regionale Gegebenheiten, Ressourcen und Compliance. Schritt-für-Schritt Maßnahmen sind ebenso sinnvoll wie Pilotprojekte. In jedem Fall ist klar: Die Entscheidung zu hybrid wird sich in jedem Fall bezahlt machen, denn: the future of work is choice. 

Eine Langversion dieses Artikels von Dr. Barbara Covarrubias Venegas und MMag. Nina Bauregger MBA wurde bei Lexis Nexis, Aktuelles Recht zum Dienstverhältnis, Ausgabe Heft 6756 veröffentlicht.  https://is.gd/4M3mkL

 

Literaturempfehlungen

Artikel zum Neuen Arbeiten von Barbara Covarrubias Venegas auf HRWeb: https://www.hrweb.at/tag/hrweb-serie-dna-das-neue-arbeiten

Evan W. Carr, Andrew Reece, Gabriella Rosen Kellerman, and Alexi Robichaux (2019): The Value of Belonging at Work, Harvard Business Review

Cigna (2020): Loneliness and the Workplace, 2020 US Report.

Lynda Gratton (2021): How to Do Hybrid Right: When designing flexible work arrangements, focus on individual human concerns, not just institutional ones, Harvard Business Review

Mark Mortensen and Martine Haas (2021): Making the Hybrid Workplace Fair, Harvard Business Review





Nina Alice Bauregger ist langjährige Führungskraft, Beraterin, Coachin, Dozentin und spezialisiert sich auf Leadership-Themen, New Work, Change-Management und Diversität.

Ihr Karriereweg der letzten 25 Jahre hat sie rund um den Erdball, von Europa nach Indien, über Japan bis in die USA geführt, wo sie als Führungskraft für Global Player wie IKEA, SWAROVSKI, EF LANGUAGE TRAVEL und die ERSTE BANK gearbeitet hat.

Seit über 15 Jahren unterstützt sie Unternehmen, Führungskräfte, Teams und Einzelpersonen in ihrer Weiterentwicklung. 

Als Keynote Speakerin, Autorin und Dozentin ergänzt sie ihre Praxiserfahrung durch wissenschaftliche Arbeit.

Ihre Fokus-Themen sind: 

  • Leadership & Führung
  • Female Leadership
  • Virtuelle/Hybride Teams
  • New Work Implementierungen
  • Change Management
  • Diversität & DEIB-Strategie

Zu Ninas Kundinnen und Kunden zählen u.a. Zumtobel, Generali,  Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport MSG Plaut, ÖAMTC, Caritas Österreich, Privatsanatorium Hera, das  Moser Milani Ärzt:innen-Zentrum oder auch der SWV

Dr. Barbara Covarrubias Venegas ist Expertin für Neue Arbeitswelten und virtuelle Führung. Sie definiert sich selbst als „Virtual Enthusiast“ und vereint nun ihre jahrelangen Forschungsergebnisse mit praktischen Ansätzen in ihren Vortrags- und Beratungstätigkeiten.

Als Forscherin und Praktikerin widmet sie sich vor allem den Themen Neue Arbeits- und Lernwelten, globale virtuelle Teams, Positive Leadership & Kultur allgemein.

Als Trainerin und Lernexpertin designed Barbara seit Jahren virtuelle Lernreisen. Ihr Award Winning globales Lehrprojekt mit über 600 Studierenden aus 22 Ländern, die  Global Case Study Challenge, ist eines der größten #virtualexchange #COIL Projekte Europas.

Als Beraterin, Keynote Speakerin und Executive Coach arbeitet Barbara mit und für Unternehmen wie Wiener Stadtwerke, ORF Salzburg, WIFI Management Forum, Unicredit, Allianz, WKÖ und vielen mehr.

Zertifiziert in:
Positive Leadership durch  Dr. Markus Ebner, interkulturelle Expertin Cultural Detective Lebensphasenorientierung Generationenmanagement NESTOR GOLD Beraterin

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