Empathy Maps im Arbeitsalltag
Empathie als Konfliktlösungs-Methode: Wie Perspektivwechsel die Teamdynamik verbessert
Im Arbeitsalltag treffen unterschiedliche Meinungen und Perspektiven aufeinander, besonders dann, wenn Veränderungen anstehen oder etabliertes Verhalten hinterfragt wird. Dies ist zutiefst menschlich und gleichzeitig oft herausfordernd: Es fällt schwer, die Sichtweise der anderen zu verstehen, von eigenen Privilegien abzusehen oder gewohnte Muster zu verlassen. Aus solchen Situationen entstehen häufig Konflikte oder gar tiefe Gräben – sei es bei der Diskussion um Home-Office-Regelungen, die Verteilung von Urlaubstagen oder in Debatten rund um Gender und Diversität. Der Mensch ist jedoch von Natur aus empathiefähig; die Frage ist nur, wie diese Empathie geweckt und gefördert werden kann.
Ein wirkungsvoller Ansatz ist der Perspektivwechsel.
Denn sobald wir verstehen, warum das Gegenüber etwas macht - oder eben nicht macht, entsteht Verständnis. Wir gehen ab von dem Blickwinkel, der nur unsere Perspektive, Bedürfnisse und Wünsche beinhaltet, zu einer holistischen Sichtweise. Eine Brücke wird gebaut, statt ein Konflikt ausgelöst
Aber wie kann man eben diesen Perspektivenwechsel schaffen? Eine Methode, die wir in diesem Zusammenhang gerne einsetzen, sind sogenannte Empathy Maps.
Was sind Empathy Maps?
Empathy Maps sind eine simple, visuelle Methode, die uns hilft, Personen in einem spezifischen Kontext besser zu verstehen. Die Methode kommt eigentlich aus dem UX Design und wird dem Unternehmer und Author Dave Gray zugeordnet, der das Tool in seinem Buch “Gamestorming: A Playbook for Innovators, Rulebreakers, and Changemakers, vorgestellt hat. Auch wenn das Tool eigentlich aus dem Innovationsmanagement bzw. User Experience-Bereich kommt, kann es für viele Zwecke eingesetzt werden - unter anderem eben auch für teamdynamische Proozesse, Konfliktlösungen oder auch Maßnahmenentwicklungen.
Eine Empathy Map besteht aus vier Hauptfeldern
Says (Sagt),
Thinks (Denkt)
Feels (Fühlt) und
Does (Tut)
Sie dient dazu, die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen einer Person in einem bestimmten Kontext zu erfassen. Dieser Prozess fördert ein tiefes Verständnis für die Perspektiven, Bedürfnisse und Herausforderungen anderer.
Empathy Maps im Arbeitsalltag: Ein Weg zu mehr Verständnis und Meinungspluralismus
Empathy Maps sind auch eine impactvolle Methode, um mehr Einfühlungsvermögen und Bewusstsein in Arbeitsumgebungen zu fördern. Diese visuellen Tools helfen dabei, sich in die Perspektiven anderer hineinzuversetzen und bieten so eine Basis, um Teamdynamiken zu verbessern und Missverständnisse zu vermeiden.
Die Austrian Leadership Academy setzt diese Methode zudem ein, konkrete Lösungsansätze zu entwickeln, die in einem partizipativen Prozess entstehen und so die Zustimmung der Gruppe/des Teams haben.
Wie setzt man Empathy Maps in teamdynamischen Prozessen ein?
Vorbereitung:
Empathy Spaces schaffen
Wichtig ist, dass sie einen ruhigen und offenen Ort zur Verfügung stellen, der als „Empathy Space“ dient. Hier können sich alle Beteiligten vertrauensvoll ungestört auf den Empathy Mapping-Prozess einlassen und in die Perspektive der gewählten Persona eintauchen.
Schritt 1: Definition der Persona/Situation
Personas wählen: basierend auf bekannten Konflikten, die vorab erhoben wurden oder während des Workshops (anonym) eingemeldet werden köennen, entstehen Personas, deren Situation es empathisch zu verstehen geht. Alternativ können hier auch Personas entwickelt werden, die strategische Ziele des Unternehmens wiederspiegeln (zB
Schritt 2: Erstellen & Befüllen der Empathy Map
Auf einem Whiteboard oder Flipchart wird ein Quadrat gezeichnet, das in vier Felder unterteilt wird: Says,Thinks,Feels und Does.
Sagt:
Was äußert die Person in Gesprächen?
Welche Aussagen macht sie zu ihren Erfahrungen oder Herausforderungen?
Gibt es wiederkehrende Phrasen oder Kommentare?
Denkt:
Was geht der Person durch den Kopf?
Welche Sorgen oder Ängste hat sie?
Welche Überzeugungen oder Annahmen prägen ihr Denken?
Fühlt:
Welche Emotionen erlebt die Person in Bezug auf die Situation?
Fühlt sie sich gestresst, zufrieden, frustriert oder motiviert?
Wie stark sind diese Gefühle ausgeprägt?
Tut:
Welche Handlungen führt die Person aus?
Wie verhält sie sich in bestimmten Situationen?
Welche Routinen oder Gewohnheiten hat sie?
Die Beteiligten reflektieren darüber, was die Persona in ihrer Situation sagt, denkt, fühlt und tut. Dies hilft, ein vollständiges Bild der inneren und äußeren Wahrnehmungen dieser Person zu erhalten. Post-its helfen dabei, den Brainstorm zu dokumentieren.
Schritt 3: Analyse und Interpretation
Nachdem alle Felder ausgefüllt sind, werden die Informationen, um Muster, Widersprüche oder besondere Erkenntnisse besprochen. Dies hilft, ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und Herausforderungen der Person zu entwickeln. Wir denken hier darüber nach, welche Erwartungen und unausgesprochenen Wünsche die Person eventuell haben könnte, aber auch welche Auswirkungen das Gedachte und Gefühlte auf die Arbeitsleistung und das Team haben könnten.
Schritt 4: Ableitung von Maßnahmen
Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen werden mögliche Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten zusammengetragen. Ziel ist es, Maßnahmen zu entwickeln, die die Bedürfnisse der betroffenen Personengruppe berücksichtigen.
Klingt abstrakt? Verständlich. Wir haben dir hier ein Beispiel aus einem unserer Workshops mitgebracht:
Beispiel-Szenario Empathy Map: Leistungseinschränkung durch einen starken Dialekt
Ein praktisches Beispiel, wie Empathy Maps genutzt werden können, zeigt die folgende Situation einer Mitarbeitenden, die mit einem starken Dialekt spricht.
SCHRITT 1: Definition der Persona/Situation
Die Mitarbeitende spricht mit starkem Dialekt und hat das Gefühl, aufgrund ihrer Sprache anders wahrgenommen zu werden.
Schritt 2: Erstellen & Befüllen der Empathy Map
- Says: „Ich weiß, dass ich mit einem starken Dialekt spreche, alles andere ist unnatürlich für mich und ist irgendwie Fake. Und schließlich zählt WAS ich sage und nicht WIE ich es ausspreche!”
- Thinks: „Werde ich weniger ernst genommen, weil ich anders spreche? Vielleicht denken die anderen, ich sei weniger kompetent. Ich fühle mich komisch, wenn alle anderen “nach der Schrift sprechen”
- Feels: "Ich fühle mich unsicher und frustriert, weil meine Art zu sprechen als unprofessionell wahrgenommen wird. Ich fühlemich in Meetings oft respektlos behandelt."
- Does: "Ich versuche, im Arbeitsumfeld bewusst Hochdeutsch zu sprechen, obwohl es mir schwer fällt. Immer öfter vermeide ich es daher, in größeren Gruppen das Wort zu ergreifen, weil ich mich unsicher fühle."
Empathy Maps helfen hier, die Perspektive der betroffenen Person sichtbar zu machen und zeigen, wie sich unbewusste Vorurteile auf das Wohlbefinden und die Leistung von Mitarbeitenden auswirken können. Mit einem besseren Verständnis können Führungskräfte Maßnahmen entwickeln, die Diskriminierung und Vorurteile abbauen und eine respektvolle Kultur der Vielfalt fördern.
Schritt 3: Analyse und Interpretation
Die Unsicherheit und das Gefühl, weniger wertgeschätzt zu werden, führen dazu, dass die Mitarbeitende sich in Meetings oft zurückhält, obwohl sie wertvolle Beiträge leisten könnte, sich nicht für Präsentationen meldet, ungern auf der Bühne steht. Diese Zurückhaltung kann ihre berufliche Entwicklung hemmen, besonders in einem Unternehmen, das Kommunikationsfähigkeit hoch bewertet.
Mögliche Erwartungen und Wünsche:
Sie wünscht sich, dass im Unternehmen eine gemeinsame, inklusive Sprachkultur gelebt wird, etwa durch die Nutzung einer gemeinsamen Arbeitssprache wie Englisch.
Sie möchte wissen, wie andere sie wahrnehmen, um Missverständnisse und Vorurteile besser einordnen zu können.
Sie hofft, dass unbewusste Vorurteile im Team abgebaut werden und dialektbedingte Diskriminierung verschwindet.
Schritt 4: Ableitung von Maßnahmen
Sensibilisierung für unbewusste Vorurteile: Mitarbeitende und Führungskräfte könnten geschult werden, damit sie verstehen, dass ein Dialekt nicht die Kompetenz oder Professionalität einer Person mindert.
Förderung sprachlicher Vielfalt: Das Unternehmen könnte eine Kultur der sprachlichen Diversität fördern, in der alle Ausdrucksweisen respektiert und geschätzt werden. Es wird ausgesprochen, dass Dialekte willkommen sind und ein Zeichen der individuellen Herkunft und Persönlichkeit sind.
Empowerment der betroffenen Mitarbeitenden: Die Mitarbeitende könnte ermutigt werden, sich selbst in ihrer natürlichen Sprechweise treu zu bleiben, ohne sich anpassen zu müssen.
Exkurs: Accent Bias und Linguistic Profiling
Accent Bias – also die unbewusste Voreingenommenheit gegenüber Menschen mit einem Dialekt oder Akzent – ist gut dokumentiert. Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit Dialekt oft als weniger intelligent oder kompetent wahrgenommen werden - auch wenn wir das bewusst niemals so sagen würden!. Dies wird in der Sozialpsychologie als Linguistic Profiling bezeichnet und beschreibt die Neigung, Menschen aufgrund ihrer Sprachweise bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. So zeigte eine Studie von Gluszek und Dovidio (2010), dass akzentierte Menschen in sozialen und beruflichen Kontexten häufig negativer wahrgenommen werden, insbesondere in Bezug auf Intelligenz und Kompetenz. In einer anderen Untersuchung von Lev-Ari und Keysar (2010) fanden die Forschenden heraus, dass Zuhörende Menschen mit starkem Akzent als weniger glaubwürdig einstufen, selbst wenn der Inhalt identisch ist.
Diese unbewussten Vorurteile führen dazu, dass Mitarbeitende mit Dialekt oder Akzent oftmals in ihrer Karriereentwicklung benachteiligt sind. Dies kann ihre Selbstsicherheit und Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an Meetings beeinträchtigen.
Der Nutzen für Organisationen im Überblick:
1. Förderung von Inklusion und Engagement:
Empathy Maps schaffen ein Umfeld, in dem sich alle Mitarbeitenden gesehen und verstanden fühlen. Wenn Teammitglieder das Gefühl haben, dass ihre Perspektiven zählen, steigt ihr Engagement und ihre Zufriedenheit. Dies wirkt sich positiv auf die Produktivität und das Arbeitsklima aus.
2. Verbesserte Kommunikation und Konfliktlösung:
Empathy Maps geben Einblick in die Gedanken und Gefühle aller Beteiligten. So können Missverständnisse frühzeitig erkannt und Konflikte konstruktiv gelöst werden. Besonders in Veränderungsprozessen, wie der Einführung neuer Policies oder bei organisatorischen Umstrukturierungen, bietet diese Methode eine wertvolle Grundlage, um Spannungen abzubauen.
3. Erhöhung der Innovationskraft:
Ein besseres Verständnis der individuellen Perspektiven im Team fördert kreative Lösungsansätze und neue Ideen. Wenn unterschiedliche Denkweisen als Ressource verstanden und geschätzt werden, profitieren Teams und Organisationen von einer breiteren Palette an Lösungsansätzen.
4. Effektivere Führung und Teamentwicklung:
Empathy Maps sind ein hilfreiches Tool für Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden besser verstehen und gezielt fördern möchten. Sie ermöglichen es Führungskräften, individuelle Bedürfnisse zu erkennen und darauf einzugehen, wodurch eine Arbeitsatmosphäre entsteht, in der Mitarbeitende ihr Potenzial entfalten und sich sicher fühlen, ihre Ideen und Bedenken zu äußern.
5. Unterstützung der Kulturentwicklung:
In Zeiten von New Work und agilen Arbeitsmodellen ist eine offene und wertschätzende Kultur entscheidend. Empathy Maps helfen dabei, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Vielfalt und Inklusion tatsächlich gelebt werden. Sie fördern eine Vertrauenskultur, in der alle Perspektiven willkommen sind.
Warum Empathy Maps eine Methode für Awareness ohne Gräben sind
Empathy Maps fördern ein respektvolles Miteinander und helfen, strukturelle Barrieren abzubauen, ohne Schuldzuweisungen zu machen. Indem sie das gegenseitige Verständnis fördern, schaffen sie Raum für ein wertschätzendes Arbeitsumfeld, das Vielfalt und Individualität zulässt. Besonders in einer diversen Belegschaft, wo verschiedene Hintergründe und Perspektiven aufeinandertreffen, ist diese Methode ein wertvolles Instrument zur Förderung von Inklusion und Respekt.
Anstatt einfach zu bewerten, wie eine Person ist, versucht man ihre Beweggründe zu verstehen und eine Lösung zur Verbesserung der Situation für alle zu schaffen
Fazit
Empathy Maps sind eine einfache, aber äußerst wirkungsvolle Methode, um in Organisationen Empathie und Bewusstsein zu fördern. Sie ermöglichen es uns, uns in die Perspektiven anderer hineinzuversetzen, und bieten eine Grundlage, um Teamdynamiken zu verbessern und Missverständnisse zu vermeiden. Diese visuellen Tools helfen Führungskräften, HR-Verantwortlichen und Teams dabei, die oft unsichtbaren Bedürfnisse, Anliegen und Herausforderungen der Mitarbeitenden sichtbar zu machen und besser zu verstehen.
Nina Alice Bauregger ist langjährige Führungskraft, Beraterin, Coachin, Dozentin und spezialisiert sich auf Leadership-Themen, New Work, Change-Management und Diversität.
Ihr Karriereweg der letzten 25 Jahre hat sie rund um den Erdball, von Europa nach Indien, über Japan bis in die USA geführt, wo sie als Führungskraft für Global Player wie IKEA, SWAROVSKI, EF LANGUAGE TRAVEL und die ERSTE BANK gearbeitet hat.
Seit über 15 Jahren unterstützt sie Unternehmen, Führungskräfte, Teams und Einzelpersonen in ihrer Weiterentwicklung.
Als Keynote Speakerin, Autorin und Dozentin ergänzt sie ihre Praxiserfahrung durch wissenschaftliche Arbeit.
Ihre Fokus-Themen sind:
- Leadership & Führung
- Female Leadership
- Virtuelle/Hybride Teams
- New Work Implementierungen
- Change Management
- Diversität & DEIB-Strategie
Zu Ninas Kundinnen und Kunden zählen u.a. Zumtobel, Generali, Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport MSG Plaut, ÖAMTC, Caritas Österreich, Privatsanatorium Hera, das Moser Milani Ärzt:innen-Zentrum oder auch der SWV.